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Hippie Trail - Asien

Auf dem "Hippie trail" nach Kathmandu

Auf dem Hippie Trail von Kathmandu nach Indien
Haltestelle unseres Linienbusses auf dem Weg von Kathmandu an die indische Grenze. Passagiere stürmen eine Imbissbude.

Nach Indien und eine Begegnung an der Grenze

Die Reisetasche wog schwer in meinen noch immer recht kraftlosen Armen, als wir am 15. Januar in aller Frühe durch das kühle, teils noch nebelverhangene Kathmandu in Richtung Busbahnhof marschierten. Auf halber Strecke überkam mich sogar ein Schwächefall und so überredete ich Werner, den Rest des Weges auf einer gerade vorbeikommenden Rikscha zurückzulegen.
Als unser Bus endlich die Stadt hinter sich ließ und sich quälend langsam die nur aus Kurven bestehende Straße des Kathmandutales hinaufarbeitete, schwor ich mir beim letzten fernen Anblick dieses elenden Kaffes, eines Tages hierher zurück zu kommen.
Von der Fahrt gibt es nichts weiter zu erzählen, außer daß wir das grandiose Panorama der schneebedeckten Eisriesen bald hinter uns ließen, da wir in die Vorberge eintauchten.

Straße in Nepal
Die damals einzige Straße von Kathmandu an die indische Grenze 1978
Ein letzter Blick auf die ganze Pracht des Himalaya.

Es war schon in der Dämmerung, als wir das nepalesische Grenzdorf Birganij erreichten. Wir mußten uns also beeilen, um noch an diesem Tag auf die indische Seite zu kommen. Da es schon stockdunkel bis die Zollformalitäten erledigt und wir schon recht müde waren, ließen wir uns von einem Hotelschlepper überreden, seinen Pferdekarren zu besteigen. Auf diese Weise gelangten wir in den Speisesaal eines kleinen schmuddeligen Hotels.
Bis auf einen ziemlich heruntergekommenen Europäer waren wir augenscheinlich die einzigen Gäste. Wir trugen uns in das Gästebuch ein und wurden dann von dem etwa sechzehnjährigen Hotelboy auf ein Zimmer, das wir uns mangels anderer Gäste aussuchen konnten, geführt.
"Ist euch das Zimmer recht?"
Wir sahen uns um und prüften die Mosquitonetze auf Löcher.
"Ist hier eine Dusche dabei?"
"Nein, aber es gibt eine Gemeinschaftsdusche."
"Gut, ist o.k."
Offensichtlich erwartete er Trinkgeld.
"Wie kommen wir von hier aus am schnellsten nach Delhi?"
"Am schnellsten geht es, wenn ihr den Bus morgen um Sechs Uhr nach Muzaffarpur nehmt, von dort könnt ihr den Nachmittagszug nehmen."
"Kannst du uns morgen früh wecken?"
"Ja, ich kann auch dafür sorgen, daß euch der Pferdewagen zum Bus bringt!"
Wir gaben ihm ein kleines Trinkgeld und er verließ uns.
Nachdem wir uns gewaschen hatten meldete sich unser Hunger, da wir den ganzen Tag über kaum etwas gegessen hatten. Also setzten wir uns in das Restaurant an einen Tisch, vis a vis des Europäers, den ich auf Grund seines Aussehens für einen Franzosen hielt.

Wir verspeisten mit großem Appetit unser scharf und exotisch gewürztes Gemüse mit Reis, denn das nepalesische Essen war allgemein etwas fade gewürzt gewesen. Da kam der Hotelmanager an unseren Tisch um zu fragen, ob wir dem Europäer ein Essen bezahlen könnten.
Erstaunt sahen wir ihn an.
"Wieso?"
"Dieser Mann ist Spanier und wurde vor einer Woche nachts im Zug ausgeraubt. Er hat nichts mehr, kein Geld, keinen Paß, sogar seine Schuhe wurden ihm gestohlen. Vielleicht können ihm die beiden Gentlemen weiterhelfen?"
Wir luden den Spanier an unseren Tisch und bestellten noch ein Essen. Erst jetzt fiel mir auf, daß der Fremde barfuß und seine Füße vor Eiter und Entzündungen angeschwollen waren.
"Wie konnte das geschehen?"
"In der Nacht, im Zug."
Sein Englisch war sehr dürftig.
"Du bist Spanier?"
"Ja."
"Woher in Spanien?"
"Aus einer kleinen Stadt. In der Nähe von Barcelona."
"Kommst du aus Nepal?"
"Nein, ich wollte. Aber sie haben mich ohne Paß nicht reingelassen. Ich solle nach Delhi. Vielleicht kriege ich dort einen Paß, dann will ich nach Kathmandu."
"Und was willst du dort?"
Aber er zuckte nur die Achseln. Überhaupt machte er einen ziemlich apathischen Eindruck.
"Gut, wir werden dich nach Delhi bringen!"
"Ja."
Er schien sich nicht sonderlich zu freuen, daß wir ihm weiterhalfen. Das Essen kam und er verschlang hungrig eine große Portion. Werner besorgte ihm inzwischen ein Zimmer. Nach dem Essen nahmen wir ihn mit und ich verband ihm die Füße, die ziemlich böse aussahen, entzündete Wunden sind in den Tropen eine gefährliche Sache. Von Werner bekam er Wollsocken mit Ledersohlen aus Afghanistan geschenkt. Der Manager trat in unser Zimmer um den Boy anzuweisen, dem Spanier sein Zimmer zu zeigen, das jetzt hergerichtet sei. Er bedankte sich noch bei uns, daß wir dem Spanier halfen.
Wir waren rechtschaffen müde und krochen bald unter unsere Netze.
"Komischer Kerl" sagte ich zu meinem Freund.
"Ja, ich glaube der ist ziemlich fertig."
Durch das scheibenlose Fenster drang leicht der würzige Geruch von offenen Feuern, kein Geräusch von Maschinen war zu hören, nur leise Laute von Insekten und mir unbekannten Tieren sowie entfernte Rufe zauberten eine exotische Stimmung, in der ich versank.

Es war noch dunkel als uns der Boy weckte.
Ein kleines Frühstück, wir bestiegen den Pferdekarren ... und mußten erst mal auf den Spanier warten. Der Boy brachte ihn dann, und wir fuhren über den holprigen Weg zum Busbahnhof. Der Bus wollte gerade losfahren, deshalb gab es eine ziemliche Hektik, bis wir endlich auf unseren unbequemen Sitzen in dem überfüllten Bus saßen, der nach indischer Weise auch Passagiere auf dem Dach beförderte.
Im Mittelgang vor mir, auf einer eisenbeschlagenen Kiste, welche mit Ketten an einer Haltestange befestigt war, saß ein dicker, beturbanter Inder, bekleidet mit zu einer Art Kniehose geschlungenem Lendentuch und zugeknöpfter blauer Uniformjacke mit Patronengürtel. In der Hand eine riesige doppelläufige Schrotflinte. Ein lustiges Bild.
Mehrmals auf der Strecke wurde an Kontrollstationen der ganze Bus von Polizisten nach Waffen durchsucht, denn Bihar ist einer der ärmsten Staaten Indiens und Überfälle auf Busse und sogar Züge waren häufig.
Bei einem solchen Zwangsstop stiegen die Leute aus um Zigaretten oder Essen zu kaufen. Ging´s weiter, hupte der Busfahrer und bald darauf fuhr er los.
Aber halt, wo ist unser Spanier?
Ich schlug Alarm um den Bus zu stoppen und unser Fahrer, ein Sikh, hielt nach ein paar hundert Metern wieder an.
Wir riefen den Namen unseres Begleiters in die morgendliche Nebelstille, der Busfahrer hupte wie verrückt, aber nichts rührte sich. Werner rannte den Weg zurück. Er blieb sehr lange aus. Der Sikh wurde schon ungeduldig und begann, ein paar Meter weiter zu fahren. Ich verführte ein ziemliches Geschrei, er solle warten und endlich tauchten die beiden aus dem Nebel auf.
Der Kerl begann zu nerven! Er schien nichts zu schnallen. Gut, eine Woche ohne Geld in einem armseligen Landstrich Indiens ist kein Zuckerschlecken, aber er unternahm nichts um sich selbst zu helfen.
Der Bus erreichte Muzaffarpur. Wir mußten uns beeilen um vom Busbahnhof zur Zugstation zu kommen, da wir noch wechseln mussten und die Banken bald Mittagspause hatten.
Ich stand mit dem Spanier gerade bei unserem Gepäck, das schon abgeladen war, während Werner auf das Dach des Busses kletterte, um den Rest herunterzuholen, als der Spanier mit den Worten, "Ich habe Hunger" sich ins Menschengewühl mischte. Wir warteten eine geraume Weile und suchten dann die Imbissbuden ab, aber er war weg. Wir konnten nicht ewig warten und sagten einem Imbissbudenbesitzer Bescheid, wenn er einen Europäer sehen würde, jenen doch bitte zum Bahnhof zu schicken, was dieser uns versprach, nachdem wir die Situation geschildert hatten. So bestiegen wir eine Rikscha die uns zum Bahnhof brachte.
Es waren vielleicht noch zwei Stunden bis unser Zug ging, aber von unserem Spanier haben wir nie wieder etwas gesehen. Die Zeit bis zur Abfahrt brachten wir im Bahnhofsrestaurant zu. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte Gewissensbisse als ich dort mein Dal mit Reis aß. Nachts im Zug war ich äußerst vorsichtig und benutzte mein ganzes Gepäck als Kopfkissen. Das war zwar unbequem, aber relativ sicher.

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