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Niger - Afrika

Durch die Republik Niger

"Route fermée"

Joachim hatte in weiser Voraussicht einen Ersatzmotor dabei. Dieser sollte am nächsten Tag eingebaut werden. Also von einer Werkstatt in die andere. Der Erste hatte den notwendigen Wagenheber, der Zweite den passenden 36'er Schlüssel, den er aber nur verkaufen, nicht vermieten wollte und das für 6.000 CFA (damals: 120.-FF oder 52.-DM)! So verging fast der ganze Morgen mit erfolglosen Verhandlungen in Agadez.
So machten wir uns am späten Vormittag des 21.11.1980 unverrichteter Dinge auf den Weg nach In Gall. Nach 40 Kilometer war die Straße gesperrt und auf eine Piste umgeleitet. Ich wagte den Vorschlag, die Absperrung zu umfahren um die Teerstraße so weit als möglich zu benutzen, doch wurde das in Grund und Boden geredet. Ursache dieser Mehrheitsentscheidung war, daß unsere Karte schon sechs Jahre alt war und davon ausgegangen wurde, daß die als geplant verzeichnete Teerstraße noch im Bau und deshalb gesperrt war. Die Piste war miserabel und es dauerte lange bis wir In Gall erreichten. Ab und an begegneten uns schwertbewaffnete Einheimische, ein Bild wie im Mittelalter. Nach der Polizeiroutine durchquerten wir den Ort und suchten uns einen Lagerplatz, wo als Besuch ein Bauer auftauchte, den wir zum Tee luden. Überall lagen harte lange Dornen zwischen den Bäumen und Büschen am Boden verstreut, die ohne weiteres die Sohlen unserer Badelatschen durchstießen.

Dorf im Osten des Niger
Dorf im Osten des Niger

Je weiter wir am nächsten Tag der Piste nach Tahoua folgten, um so schlechter wurde diese, teilweise mit weichen Sandfeldern, schwieriger als in der Sahara, da die Fahrbahn durch Bäume begrenzt und sehr tiefe LKW-Spuren in den Sand gegraben waren. Die Sandbleche kamen wieder des öfteren zum Einsatz. Große Umwege mußten an Trockentälern und trockenen steilen Bachbetten gemacht werden, um eine einigermaßen passierbare Stelle zu finden und so langsam wurde der Sprit knapp. Nie jedoch begegneten uns Fahrzeuge, was trotz des allgemein sehr seltenen Verkehrs schon seltsam war.
Nur wenige Dörfer lagen am Weg, die Menschen schienen hauptsächlich von der Viehwirtschaft zu leben. Ihre Rinder hatten gewaltige meterlange Hörner und mir wurde einmal mulmig als wir ohne Frontscheibe eine große Herde durchqueren mußten, doch erwiesen sich die Rindviecher als nicht sehr schreckhaft. Es dämmerte schon fast, als ich links eine geteerte Fläche bemerkte. Ich dachte erst an einen Flugplatz und äußerte meinen Verdacht. Doch hatten wir die, damals für einige Jahre aus politischen Gründen nicht mehr erhältliche, berühmte Michelin-Karte dabei und dort war kein solcher verzeichnet. Jetzt erst fiel der Groschen, das war die Teerstraße welche die ganze Zeit wenige Kilometer parallel neben der Piste herlief! Auf diese bogen wir jetzt natürlich ab und erreichten nach kurzer Zeit ein Dorf.
Dort waren die Europäer die Attraktion des Tages, vor allem für die Kinder, aber auch für drei im Gesicht tätowierte junge Frauen, die unbedingt mit uns nach Tahoua fahren wollten. Diese traten sehr resolut auf, die Jungmannen hatten großen Respekt vor ihnen, ein Betroffener beschwor eine der Damen sogar unter Tränen, nicht mitzufahren. Deren sexuelle Abenteuerlust war unverkennbar.
Und ich dachte, der Niger sei ein muslimisches Land in dem die Frauen nur eine dienende Rolle zu spielen hätten!
Wir nahmen sie zur großen Erleichterung der jungen Männer dann doch nicht mit, vor allem unsere weiblichen Gefährten waren dagegen. Jedoch trieben wir einen großen Kanister voller Benzin auf, was sehr wertvoll war.
Einige Kilometer außerhalb des großen Dorfes wurde zur Nacht gelagert und bald waren etliche Zuschauer da, obwohl kein Haus zu sehen war.

Tahoua

Auf der Teerstraße erreichten wir schnell Tahoua, eine Stadt mit damals etwa 40.000 Einwohnern. Tanken und die übliche polizeiliche Anmeldung. Unsere Sorge galt nach wie vor dem Motor. Ein Garagenbesitzer wollte 30.000 CFA für die Benutzung, ging dann aber auf 4.000 herunter. Das war uns noch zu teuer und wir suchten weiter, fanden aber nichts Vernünftiges, also zurück zum Ersten, diesmal für 5.000 CFA oder gar nicht.
O.K!
Der Motor wurde aus und auseinander gebaut, ein Ölabstreifring war kaputt. Naja, wir hatten ja den Ersatzmotor, aber die Halterungen dieses Motor´s passten leider nicht zu den Anschlüssen unseres Fahrzeuges. Der Versuch den Abstreifring provisorisch zu reparieren führte zu dessen völligen Zerstörung. Jetzt war guter Rat teuer, denn die Kolben des Ersatzmotors hatten einen anderen Durchmesser. Wir versuchten den Ersatzmotor dem Garagenbesitzer anzudrehen, doch der wollte nicht. An der Werkstatt traf jetzt ein deutscher Afrikafahrer ein, dieser hatte die ganze Strecke Agadez - Tahoua auf der Teerstraße in einem Tag zurückgelegt, er hatte nur einige eingestürzte Brücken zu umfahren, wie er berichtete.
In mir drängte sich jetzt ein Verdacht auf:
Bei Arak in Algerien, mitten in der Wüste steht das Grab eines Marabout, den nach altem Brauch jeder Saharafahrer dreimal umrunden muß. Der Fahrer unseres Fahrzeugs hatte jedoch seine Schwierigkeiten bis Drei zu zählen ;-) , also fuhr er viermal um das Grab. Sollte das die Ursache unserer Probleme sein?
Fast könnte man dies glauben, waren doch die Insassen dieses Fahrzeugs während unserer Afrikareise stets von allen Unglücken am stärksten betroffen! Schon in der algerischen Sahara war unserem Fahrer ein sehr großer grauer Skorpion mit nach oben gebogenem Schwanz zwischen den nackten Füßen hindurch und auf das Feuer zu gekrabbelt, viele Stunden von der nächsten Ansiedlung entfernt.

Nach Birni N'Konni

Gottesanbeterin
Gottesanbeterin

Bruno wollte unseren VW nach Birni N'Konni ziehen. Es war bereits Nacht, als sich unser Schleppzug in Bewegung setzte. Uns flogen jedoch im Fahrerhaus Steine von teils beträchtlicher Größe um den Kopf. Ständig kreuzten Nutztiere, denen die Vorderbeine zusammengebunden oder denen ein Vorderbein am Knie nach oben gebunden war, und die sich deshalb nur langsam fortbewegen konnten, die Fahrbahn. Oft vor Schreck auch noch in die falsche Richtung humpelnd. Kurz, es hatte keinen Sinn und so lagerten wir nach 20 Kilometern.
Wir erreichten das nur wenige Kilometer vor der Grenze zu Nigeria liegende Birni N'Konni am späten Morgen des nächsten Tages. Gegen den Steinschlag war eine starke Plastikplane gespannt worden, was freilich auch die Sicht stark beeinträchtigte, man konnte nur schemenhaft das ziehende Fahrzeug und dessen Bremslichter erkennen. Doch war dies Aufgrund des erwähnten sehr seltenen Verkehrs nicht so risikobehaftet wie man als bundesdeutscher Autofahrer vielleicht denken könnte. Unser Schleppzug fuhr sehr langsam und auf fast der gesamten Strecke begegneten uns vielleicht zwei oder drei Fahrzeuge. Erst nahe Birni N'Konni war etwas mehr Verkehr, und am Ortsrand hielten wir an.
Im Nu waren wir wieder von einer lärmenden Kinderschar umringt:
"Cadeau! Cadeau! Tourist! Tourist!"
Ich blieb mit Elly bei unserem Fahrzeug während das andere auf Werkstattsuche ging. Endlich kamen sie mit guten Nachrichten zurück. Ein Garagenbesitzer brauchte einen VW-Motor und er könne uns Kolbenringe aus Nigeria besorgen. Der Pritschenwagen wurde in die Werkstatt geschleppt und man einigte sich, den Motor für 25.000 CFA plus Ersatzteile gratis zu verkaufen. Ein Junge wurde nach Nigeria geschickt um die Ringe zu besorgen und jetzt hieß es abwarten.

Birni N'Konni

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