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Indonesien - Asien

Indonesien, Reich der siebzehntausend Inseln

Linienbus auf Sumatra
Dieser altersschwache Bus brachte mich in 36 Stunden Fahrzeit von Tobasee nach Bukittingi

Bukittingi - Ein Landstädtchen auf Sumatra

Nach einer der anstrengendsten Busfahrten meines Lebens, jedenfalls gemessen an der Entfernung, erreichte ich das Städtchen Bukittingi auf Sumatra am 21. März 1980 um 2 Uhr nachts. Über mir funkelten mit selten erlebter, strahlender Leuchtkraft die fremden Sternbilder der südlichen Hemisphäre. Um diese Zeit blieb mir nichts weiter übrig, als es mir wie ein Obdachloser auf einer Bank des Busbahnhofs bequem zu machen, um bis 6 Uhr morgens ein Schläfchen zu halten. Dies war meine erste Nacht südlich des Äquators.

Ich erwachte durch die Geräusche, als das "Rumah Makan" des Busbahnhofs öffnete. Rumah bedeutet Haus, Makan Essen, ein Rumah Makan ist also ein Essenshaus, in das ich mich zum Frühstück setzte. In einem solchen gibt es keine Speisekarte, sondern der Kellner bringt jedem Gast Schalen mit Reis, Eiern, Fleisch, Innereien, Gemüse u.s.w. Der Gast wählt aus und bezahlt alles was er angebrochen hat. Die Speisen waren schmackhaft, vor allem die hartgekochten, mit Chilli rotgefärbten Eier in einer sehr scharfen Soße mundeten mir sehr. Auch der Kaffee war tiefschwarz und gut. In vielen Ländern gibt es die gleichen Gerichte zu allen drei Hauptmahlzeiten. Nur dort wo viele Touristen sind, hat man sich auf diese eingestellt und bietet morgens auch Toast und Spiegeleier und ähnliches an.

Stadtansicht von Bukittingi
Bukittingi im ersten Morgenlicht
Sofort gefiel mir dieses Städtchen...

Nachdem ich gesättigt war und eine kurze Morgentoilette am Wasserhahn abgehalten hatte, fragte ich den Kellner nach Hotels, und er schickte mich über die Treppen des Hügels hinter der Busstation hinauf.
Auf dem Kamm bot sich ein überraschend schöner Anblick. Bukittingi lag unter mir, halb von morgendlichen Nebelschwaden bedeckt, in der Ferne die Silhouetten von Bergen und Vulkanen. Die große Kuppel der Moschee glänzte im Schein der tiefstehenden Sonne.
Sofort gefiel mir dieses Städtchen.
Die wenigen Hotels waren alle belegt, doch sollte um 10 Uhr in einem Hotel ein Zimmer frei werden, so vertraute ich dem Hotelboy mein Gepäck an und machte einen Spaziergang durch die Stadt, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Viele der Häuser waren aus Holz und hatten Wellblechdächer. Häuser im traditionellen Stil gab es allerdings nur noch aus musealen Gründen.

Jetzt machte sich meine Müdigkeit bemerkbar, da ich die letzten 50 Stunden nur die vier Stunden leichten Schlaf auf der unbequemen Bank hatte. So steuerte ich bald ein Lokal an um mich mit dem guten Sumatra-Kaffee wach zu halten.
In dieser Gegend Sumatras, das von vielen Völkern bewohnt wird, wohnen die "Minang Kabau" was "siegreiche Büffel" bedeutet. In ihrer Mehrheit sind es Moslems, trotzdem haben sie, seltsam genug bei Moslems, eine matriarchalische Gesellschaftsordnung.
Aber es ist wie immer, Pauschalisierungen erweisen sich als nutzlos. Einen malaysischen oder indonesischen Moslem trennen Welten von einem Moslem aus Saudi-Arabien, die Kultur ist prägender als die Religion. Gilt dies für eine ganze Religion, die immer Auslegungssache ist, so noch viel mehr bei den einzelnen Individuen. Brahma, Allah, Gott oder das Unergründliche Gesetz hat die Menschen eben sehr unterschiedlich gestaltet. Alle diese Religionen sind in Indonesien präsent, wenn es auch fast zu 90% Muslims sind.
Unglücklicherweise waren die meisten der Moslems auf dem völlig übervölkerten Java zuhause, als die Regierung ein großes Umsiedlungsprogramm startete. Dadurch löste sie Religionskonflikte aus, da die jetzt in Massen auftretenden und das Land beschlagnahmenden Javanesen von Völkern anderer Religion als "die Moslems" wahrgenommen wurden.
Eigentlich handelt es sich um Kolonialismus, doch hat die Regierung in Jakarta keine Wahl. Gerade die beiden größten der Religionen, der Islam und das Christentum, tragen durch ihr erklärtes Ziel der ungehemmten Bevölkerungsvermehrung stark dazu bei, daß weltweit alle kleineren Völker und Kulturen, genau so wie die letzten Reste unberührter Natur, völlig verschwinden werden.

Bukittingi - Busbahnhof

Doch werden religiöse Konflikte auch bewusst provoziert.
So hatte zum Beispiel auch der Konflikt in Aceh auf Nordwest-Sumatra keinen religiösen Charakter, da beide Konfliktparteien Muslims sind. Dennoch wurde daraus ein Religionskonflikt gemacht. Die Stammeskämpfer wurden vom Regime als religiöse Extremisten eingestuft, was durch die Kultur der Achinesen (= Bewohner Aceh's) leicht gemacht wurde, weil diese die Religion schon immer strenger auslegte als die Kulturen anderer muslimischer Völker Indonesiens.
In Aceh landeten, um die bis heute wichtige strategische Position am Ausgang der Malakkastraße zu sichern, die ersten arabischen Moslems und bekehrten das Volk von der Naturreligion, die noch rituellen Kannibalismus kannte, zu einem Islam, der ziemlich strikt ausgelegt wurde. Dies wird den Achinesen im Zeitalter des christlichen "Krieges gegen den Terror" zum Verhängnis, da jedes Regime westliche Unterstützung findet, das gegen angebliche oder reale religiöse Extremisten vorgeht, solange diese nur Muslime sind.
Während der langsamen weiteren Ausbreitung des Islams wurde dessen Auslegung moderater und nahm viele Einflüsse der alten Kulturen in sich auf. Hinduismus und Buddhismus, die Religionen der uralten Hochkulturen und Stadtstaaten auf Java, Bali und Südsumatra, kennen kein solch ausgeprägtes Missionierungsbewußtsein wie die abrahamitischen Religionen. Im Innern Sumatras und auf unzugänglichen Inseln wurden viele Völker sogar erst von holländischen Missionaren zu einer Weltreligion bekehrt.
Einer dieser alten Ritusplätze der Naturreligionen im Lake Toba ist eine Touristenattraktion und zeigt in der Bauweise die ersten Schritte zur höheren Kultur, die von den Missionaren jedoch völlig ausgelöscht wurde. Die heutigen christlichen Bataker die diese Region besiedeln, schämen sich sogar ihrer alten Kultur und verdrängen diese, wie ich feststellen mußte.

Haus im Minangkabau Stil in Bukittingi
Haus im Minangkabau Stil in Bukittingi

Mittlerweile wurde es 11 Uhr und ich machte mich wieder ins Hotel auf. Das Zimmer wurde gerade hergerichtet, so nahm ich noch eine südostasiatische Schöpfdusche.
Diese Dusche ist ein kleiner Raum oder separates Häuschen mit einer großen gemauerten Wanne, in der sich das kalte Wasser befindet, das man mit einer Schöpfkelle über sich gießt.
Daß schon Touristen auf die Idee gekommen waren, in die Wanne zu steigen um zu baden, bewies ein Verbotsschild. Die haben dann wohl vergeblich nach dem Auslaßstöpsel gesucht und mußten hoffentlich selbst die einige hundert Liter fassende Wanne ausschöpfen und mittels Eimern neu befüllen.
Ich schlief danach bis zum frühen Abend.
Nachtleben fand in Bukittingi natürlich kaum statt, und nur in den Hotelrestaurants saßen die wenigen kaukasischen Reisenden zusammen und unterhielten sich. Von diesen bekam ich den Tip, den berühmten "Gado Gado" Salat der Region zu probieren. Diesen sollte ich die nächsten Tage noch öfters essen.

Der Charme Indonesiens

Am nächsten Morgen folgte dann eine ausgiebige Besichtigung des Ortes. Die Menschen waren zuvorkommend und freundlich und zum erstenmal erlebte ich den bezaubernden Charme der indonesischen Mentalität, dem ich noch oft auf Jawa und Bali begegnen sollte. Die Minang Kabau waren zwar bis zur holländischen Kolonialisierung unabhängig, pflegten jedoch enge Beziehungen zu den alten javanischen Reichen und diese kulturelle Verbundenheit machte sich, viel mehr als zum Beispiel bei den von mir zuvor besuchten Batakern, hier in Bukittingi überall bemerkbar.

Landschaft auf Sumatra
Landschaft auf Sumatra. Diese Aufnahme von pflügenden Bauern mit Wasserbüffeln entstand während der letzten Fahrzeugpanne unseres Busses. (Es war Panne Nummer 6 - und nur noch etwa 8 Stunden Fahrzeit von Bukittingi entfernt.)

Auf Sumatra gibt es zwei Jahreszeiten, sagen die Einheimischen augenzwinkernd, die Regenzeit und die Trockenzeit. In der Trockenzeit regnet es dreimal täglich, in der Regenzeit den ganzen Tag. Es war gerade Übergangszeit zwischen den Jahreszeiten und so war der Regenschirm bei 5 bis 6 Regenschauern täglich ein notwendiges Utensil.
Der örtliche überdachte Markt duftete nach exotischen Gewürzen und dem intensiven köstlichen Sumatra-Tabak, der in Ballen als Feinschnitt angeboten wurde. Der Tabak wird von der lokalen Bevölkerung in eine Art Bastrinde eingerollt und geraucht. Dies ist wesentlich billiger als die mit Nelken gewürzten beliebten "Gudang Garang"-Zigaretten. Auch ich kaufte mir eine Plastiktüte von dem Arme-Leute-Tabak, doch wurde der Rauchgenuß durch den stinkenden Bast stark getrübt. Zigarettenpapier war leider nicht erhältlich.
Kunstvoll gearbeitete Dolche mit vergifteter Schneide, Kris genannt, und Silberwaren waren damals auf dem Markt noch immer als Waffe und Schmuck für die Einheimischen bestimmt. Doch kann ich mir vorstellen, daß sich das geändert hat und mittlerweile mehr an einfacher Qualität für den Tourismus produziert wird. Übrigens tragen viele Minang Kabau versteckt am Körper einen solchen kleinen Kris mit sich herum. Ein Silberhändler hatte eine große fast runde spanische Silbermünze aus dem 16. Jahrhundert, deren aufgeprägten Kopf eine riesige Nase zierte. Ich fragte nach dem Preis, doch er kannte den Wert und wollte umgerechnet 80.- DM für die Münze. Nach dem üblichen Handeln hätte ich sie vielleicht für die Hälfte bekommen, doch stand mir für meinen gesamten Aufenthalt in Bukittingi nicht so viel Geld zur Verfügung.

Sianok Schlucht bei Bukittingi
Die Sianok Schlucht (Ngarai Sianok) am Weg von Bukittingi nach Kota Gadang

Sianok Canyon

Der folgende Tag war der Bildung vorbehalten. Bukittingis Zoo bot unterernährte Tiere in viel zu kleinen Käfigen. Als exotische Tiere aus Europa waren ein paar Stallhasen ausgestellt. Auch eine Abteilung mit ausgestopften Tieren war zu besichtigen. Interessanter war da schon das mitten im Zoo gelegene Völkerkundemuseum.
Den letzten Tag in Bukittingi machte ich mich nach dem Gado-Gado Salat, den ich zum Frühstück genoß, durch den Sianok Canyon auf den Weg nach Kota Gadang, das Zentrum der dortigen Silberschmiedekunst. Dort herrschte eine angenehme Atmosphäre, die Leute waren freundlich und boten Tee, ohne etwas aufdrängen zu wollen. Sie kannten den Wert ihrer Arbeiten und waren weder enttäuscht noch gar böse in mir keinen Kunden zu finden. So blieb ich dort einige Stunden, bevor ich mich auf den Rückweg durch das 100 Meter tiefe Tal machte. Dieses hat wilde Schönheit, der Fluß hat sich im Laufe der Zeit tief in den Lößboden gefressen, in den auch tiefe Stollen und Munitionskasematten aus japanischer Zeit gegraben sind.
Es drohte bald zu regnen und ich beeilte mich das Hotel zu erreichen. Kaum hatte ich mich dort gesetzt, goß es wie aus Eimern.

Als ich am nächsten Morgen um 6 Uhr das letzte Mal die Treppen über den Hügel zum Busbahnhof hinaufstieg, hatte mich der Zauber Indonesiens endgültig ergriffen. Ich kaufte einen Fahrschein nach dem Hafen Padang, da von dort aus heute um 11 Uhr das Schiff, ein völlig überfüllter besserer Seelenverkäufer der mich in dreitägiger Fahrt nach Jakarta brachte, laut Fahrplan ablegen sollte. Doch das ist eine andere Geschichte.

Japanischer Bunker Sianok Canyon
Eingang zu einem ehemaligen japanischen Bunker im Sianok Canyon
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