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Türkei - Asien

Reise durch den Westen der Türkei

Der Busbahnhof in Antakya
Der Busbahnhof in Antakya

Antakya, das antike Antiochia am Orontes

Dann stand mir eine längere Fahrt bevor, ich wollte an die Küste, den Touristenrummel aber umgehen und so erkor ich mir die Gegend um das etwa 500 Kilometer entfernte Antakya, nur wenige Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, als nächstes Ziel.
Die Reise ging über das Taurusgebirge, dann dicht an der Küste entlang und über die fruchtbare Ebene von Adana in einem Bogen durch ziemlich trockene Landschaft nach Süden. Gruppen von Wanderarbeitern schufteten in sengender Hitze auf den staubtrockenen Feldern.
In der Nähe des Busbahnhofs von Antakya, dem antiken Antiochia, fand ich an der Straße gegenüber ein Zimmer in einem Hotel, sogar mit Balkon.
Von diesem genoß ich nach einem Essen die Aussicht auf den Berg hinter der Stadt, auf dem eine kilometerlange turmbewehrte Befestigungsmauer zu sehen war.
Unter mir fuhr gerade ein Moped auf der breiten, zu dieser Zeit fast unbelebten Straße, als dicht vor dem Moped ein großer Mercedes aus der kleinen Seitenstraße rechts des Hotels nach links auf die Straße bog.
Der Mopedfahrer, natürlich ohne Helm, zog sein Krad nach rechts und bremste, konnte jedoch den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Er stürzte nach rechts an die hohe Bordsteinkante und sein Moped fiel über ihn.
Zuerst war er ruhig, nach etlichen Sekunden begann er jedoch zu jammern und zu stöhnen.
Der Mercedesfahrer bog noch ganz auf die Straße ein und hielt dann an.
Nachdem er ausgestiegen war, betrachtete er zunächst eingehend die große Beule am Kotflügel des Fahrzeughecks.
Jetzt lief er mit wütendem Gesicht über die Straße, um den immer noch Jammernden unter seinem Moped zu beschimpfen.
Inzwischen waren doch einige Passanten die Straße entlang gekommen und stehen geblieben.
Der Mercedesfahrer schien es nun für besser zu halten, sich dünne zu machen, warf dem Verletzten noch einige Schimpfworte zu, besah sich noch einmal seine Beule, setzte sich ans Steuer und brauste davon.
Die Passanten hoben das Krad auf und halfen dem unter Schock stehenden Mann, sich an die Bordsteinkante zu setzen. Er stützte jetzt seinen Kopf in die Hände und gab keine Schmerzlaute mehr von sich.
Er schien keine ernsthaften Verletzungen davon getragen zu haben, auch hatte ich nicht beobachtet, daß er sich den Kopf irgendwo angeschlagen hätte, er war eher auf dem Teer gerutscht und hatte sicher deftige Abschürfungen und einige Prellungen davongetragen. Trotzdem hätte man ihn in Europa bestimmt ins Krankenhaus zur Untersuchung gebracht.
Das Vorderrad seines Fahrzeugs war nicht mehr rund und das kaputte Ding schien ihm nach einer Weile die größte Sorge zu bereiten. Nach geraumer Zeit erschienen, vermutlich von Passanten benachrichtigt, einige Männer, wohl Verwandte, die ihn und das Moped wegschafften.
Polizei tauchte nicht auf.

In Antakya blieb ich für zwei Übernachtungen, besah mir die Stadt und besuchte das Antikenmuseum mit seinen Sarkophagen, Säulen und sonstigen Ausstellungsstücken. Berühmt ist das hiesige Museum jedoch für seine Mosaikensammlung, eine der bedeutendsten der Welt. In einem unbeobachteten Moment schoß ich ein Foto von einer der Einlegearbeiten, der Blitz lockte jedoch sofort einen Aufseher aus einem Versteck, welcher mir das weitere Fotografieren strikt untersagte. Anschließend spazierte ich durch die Gassen und Straßen des recht großen Bazars, der jedoch keine romantische Atmosphäre bot, sondern in dem zum Beispiel auch Schmiede zwischen den neueren Häusern ihre Arbeit zum Teil auf der Straße verrichteten und in dem alle möglichen Arten von industriell hergestellten Gebrauchsartikeln angeboten wurden. Orientalischer Alltag also, aber trotzdem sehr interessant.
Als ich an einem Straßenstand einen Snack in Form eines gegrillten Maiskolbens zu mir nehmen wollte und der Verkäufer mir einen nicht so besonders schönen Kolben zurechtmachte, wurde er von anderen Kunden, die auch gerade einen solchen verspeisten, angewiesen, mir gefälligst einen besseren zu geben. „Was sollen denn die Leute aus Deutschland von uns denken, wenn du ihnen minderwertiges Zeug verkaufst?“ Soviel glaubte ich verstanden zu haben, obwohl ich fast gar kein türkisch konnte und der Verkäufer gab mir dann tatsächlich einen schöner gewachsenen Mais.

Tunnel der antiken Titus-Wasserleitung in Çevlik bei Antakya
Tunnel der antiken Titus-Wasserleitung in Çevlik bei Antakya

Çevlik und der Titus-Vespasianus Tunnel

Jetzt wollte ich endlich baden und fuhr mit einem Bus an das etwa 30 Kilometer entfernte Meer, nach Samandağ, bzw. Çevlik, einem Dorf nördlich von Samandağ.
Dieses entpuppte sich als hübscher kleiner Badeort mit ausschließlich türkischen Gästen und ich fand ein kleines Hotel mit bungalowartigen Zimmern nur etwa 10 Meter vom Strand entfernt.
Jetzt rein in die kühlen Fluten!
Der Sand über den ich ging, war grau und unter der Oberfläche fast schwarz, doch schwarzen Vulkansand hatte ich ja auch schon erlebt und ging also weiter durch den Sand und eine Menge Plastikfolie Richtung Wasser.
Etwas verwundert, weshalb die türkischen Badegäste ihre Plastiktüten nicht aufräumten war ich schon und vor allem waren es so viele.
Im Wasser legte sich nach zwei oder drei Schwimmzügen etwas glitschiges um meinen Oberarm, ich erschrak, denn ich dachte sofort an Quallen.
Ich konnte noch stehen, hob den Arm – eine Plastiktüte hatte sich mir um den Arm gelegt.
Allmählich begannen mich diese türkischen Touristen zu ärgern!
Ich schwamm wieder und sofort umschlang mich eine weitere Plastikfolie, diesmal um meinen Fuß. Ich betrachtete sie, die Beschriftung war arabisch. Ich sah mich im Wasser jetzt genauer um, überall trieben knapp unter der Oberfläche Abfälle, hauptsächlich Plastikfolie.
Ich ging wieder an Land, duschte mich und fragte den Hotelier was das denn sei. Von Ihm erfuhr ich, daß die Syrer ihren Müll dicht vor der Küste im Meer verklappten und die Strömung diesen hierher an den Strand trieb. Auch der Sand war nicht mineralisch dunkel, das war einfach halbverbrannter syrischer Dreck. Es hatte schon verschiedentliche diplomatische Aktivitäten gegeben, doch waren die Syrer nicht bereit, auf diese billige Entsorgung zu verzichten. Dies war natürlich für die touristische Entwicklung in diesen Gebiet tödlich und die Einwohner waren entsprechend wütend auf die Syrer.
Ich gab den Gedanken an einen Badeurlaub endgültig auf. Jetzt war klar, warum ich der einzige Ausländer hier war.

Begegnung bei Çevlik
Begegnung bei Çevlik

Dennoch blieb ich einige Tage in Çevlik, es gab antike Ruinen und die Reste eines kleinen alten Hafens, die zeigten, daß die Schiffe in antiker Zeit sehr klein gewesen sein mussten, denn die Aufschüttung des Halbrunds der alten Wellenbrecher schätzte ich auf nicht viel mehr als vielleicht 150 Meter im Durchmesser. Dabei handelte es sich wohl vermutlich sogar um den Hafen des einst bedeutenden antiken Antiochias.
Auch eine ehemalige Wasserleitung, die Titus-Wasserleitung, welche tief in den Fels geschnitten war und an einer Stelle sogar durch einen großen Tunnel verlief, konnte man besichtigen. Seitlich in den Hängen der Titus-Wasserleitung waren einige antike Felsengräber zugänglich. Auf eine Quelle mit gutem Wasser waren die Einwohner besonders stolz, deren Wasser war angeblich so kalt, daß eine hineingelegte Melone binnen Kurzem zersprang.

Ich lernte zwei Kurden kennen, von denen einer anscheinend an Verfolgungswahn litt.
Er behauptete, die türkische Geheimpolizei würde ihn verfolgen und beobachten. Wir machten gerade eine kleine Wanderung am Strand entlang und waren etwas außerhalb.
„Jetzt auch?“
„Ja, sie beobachten mich immer!“
„Aber hier ist weit und breit kein Mensch zu sehen!“
„Ich stehe 24 Stunden unter Beobachtung!“
Auch sein Begleiter bestätigte dies.
Ich hielt die beiden für paranoid. Er behauptete, er würde aus politischen Gründen verfolgt.
Daß die Kurden unterdrückt wurden, war mir bekannt, doch glaubte ich, er hätte sich da in etwas hinein gesteigert. Insgesamt machte er einen sehr bedrückten und niedergeschlagenen Eindruck.

Abends ging ich in ein gepflegtes Restaurant, speiste und trank auf dem großen Balkon mit der schönen Aussicht ein Bier. Plötzlich marschierte eine seltsame Truppe ein.
Voraus zwei Kerle, die aussahen wie Pat und Patachon, der folgte, sah aus wie die Karikatur eines türkischen Folterknechts, rund aber muskulös und mit Glatze, sowie, als letzter, ein intelligent aussehender junger Mann, nur etwas älter als ich (ich war damals knapp Dreißig), zweifellos der Chef.
Sie kamen an meinen Tisch, obwohl fast alle anderen frei waren und der Anführer fragte, ob es gestattet sei.
Ohne meine Antwort abzuwarten setzten sie sich. Pat & Patachon sich mir gegenüber, der Folterknecht neben mich und der Boss an die Stirnseite des Tisches.
Daß das Bullen waren, war klar und sofort sah ich das Gespräch mit dem Kurden am Nachmittag in einem anderen Licht.
Der Chef, er sprach als einziger deutsch und englisch, begann mit Smalltalk, woher ich käme u.s.w., doch habe ich noch nie etwas von unnützem Geschwätz gehalten und sagte ihm auf den Kopf zu, sie seien Polizisten und würden mich wegen des Kurden ansprechen.
Der Chef zögerte mit großen Augen, äußerte etwas auf türkisch und alle anderen sahen mich so baff erstaunt an, als hätte ich soeben den gordischen Knoten gelöst.
Jetzt kam auch der Geheime zur Sache. Er erkundigte sich, was ich mit dem Kurden gesprochen hätte.
Er schien erstaunt zu sein, daß der Kurde wusste, daß er beschattet wurde, was ich angesichts der beiden Gestalten mir gegenüber insgeheim witzig fand.
Die ganze Truppe, deren Chef mir nicht unsympathisch war, bestellte Bier.
Ob der Kurde denn verhaftet würde?
„Jetzt noch nicht.“
Doch er wollte mir nicht sagen, weshalb der Mann verfolgt wurde. Er hätte sich verdächtig gemacht.
Wir unterhielten uns mehr als eine Stunde und tranken Bier.
Pat und Patachon saßen ununterbrochen schweigend auf ihrem Platz, nur der muskulöse Folterknecht erkundigte sich ab und zu, von was gerade die Rede war. Der Chef sprach dialektfreies Hochdeutsch mit leichtem Akzent, hatte also sein Deutsch auf einer Schule gelernt. Um sicher zu gehen, daß der Muskulöse uns nicht verstand, baute ich eine beleidigende Bemerkung über ihn in unsere Unterhaltung ein und beobachtete dabei genau seine Augen. Er verstand uns wirklich nicht.

Meine Meinung zu den Kurden war zwiespältig.
Zwar konnte ich die Unterdrückung ihrer Kultur und die Vertreibung der Kurden aus ihren Dörfern nicht gutheißen, doch hatte ich erlebt, daß schon vor der Eskalation des Problems Kurden in der Osttürkei meinen Linienbus mit großen Steinen beworfen hatten und dabei leicht einen völlig Unschuldigen, nämlich mich, hätten schwer verletzen oder gar töten können.
Auch der Offizier gab zu, daß in der „Vergangenheit einige Fehler“ gemacht worden waren. Wir unterhielten uns dann auch allgemein über die Türkei und meine Erlebnisse. Nach einem weiteren Bier ließen sie mich dann wieder alleine.
Den Kurden und seinen Begleiter habe ich dann übrigens in Çevlik nicht mehr wieder getroffen.
In meinem Hotel zog auch eine hübsche Türkin mit ihrer Mutter und ihren zwei Kindern ein. Sie war Christin, hatte mit ihrer Familie in Deutschland gewohnt und ihr Mann saß jetzt in einem türkischen Gefängnis.
Sie wollte sich scheiden lassen und suchte eine Möglichkeit, wieder nach Deutschland zu gelangen. Allerdings tat ich mir das nicht an und sie reiste mit ihrer Mutter dann ziemlich schnell ab, weiter westlich an der Küste gab es ja noch mehr deutsche Männer.
So langsam näherte sich das Ende meiner Ferien und ich wollte über Kappadokien wieder nach Istanbul zurück.

Çevlik
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